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VIVOS VOCO, MORTUOS PLANGO, FULGURA FRANGO

Bild 1

Allgemeine Infos zum Thema Läuten von Glocken

Eine Glocke hängt an einem drehbar gelagerten Balken, das Glockenjoch. In der Glocke hängt das klangbringende Teil, der Klöppel . An dem Glockenjoch Joch ist ein Rad befestigt, das einem Speichenrad ähnlich sieht. Es ist das sogenannte Seilrad.  Auf der Radlauffläche ist eine Spannvorichtung befestigt, an die ein Läuteseil aus Hanf daranbefestigt sein. Wenn man dran zieht, bewegt sich die Glocke hin und her, wobei dann der Klöppel an die Glockenwandung schlägt. Zum Läuten klassischen wird demnach die ganze Glocke bewegt. Das Bild 1 oben zeigt schematisch eine solche Läutemöglichkeit. Der Anbau eines Seilrades an ein Glockenjoch muß mit allergrößter Sorgfalt durchgeführt werden. Bei alten Glocken ist statt des Seilrades aber ein sogenannter Läutearm am Glockenjoch montiert, woran das Zugseil besfestigt ist - Bilder unten.

Prinzipiell gibt es zwei Möglichkeiten, eine Glocke aufzuhängen. Im Normalfall wird eine Glocke heute an einem geraden Joch (siehe Abb. 7 a) ) befestigt. Es kann entweder aus Holz, Stahl oder Gusseisen gefertigt sein. Der Schwerpunkt liegt bei dieser Aufhängungsart tief und muss deshalb beim Läuten stark verlagert werden, weshalb auch der Kraftaufwand groß ist. Der Läutewinkel j ist im Verhältnis kleiner, aber der Schwingungsradius (gestrichelte Linie) und damit der Platzbedarf beim Läuten sind größer.

Die zweite Möglichkeit  als  Aufhängungsart, ist das gekröpfte Joch (siehe7 b). Hier liegen die Drehzapfen tiefer als die Krone der Glocke, deshalb verlagert sich der Schwerpunkt der Konstruktion nach oben. Der Kraftaufwand beim Läuten ist entsprechend geringer, ebenso der Platzbedarf beim vollen Ausschwung der Glocke.

Beim geraden Joch findet bei optimaler Abstimmung der Schwingungsdauer des Klöppels, die von seiner Masse und der Lage des Schwerpunkts, d. h. seiner Länge, mit der Schwingungsdauer der Glocke der Anschlag immer am höchsten Punkt der Auslenkung statt. Das Klöppelgelenk liegt nämlich ein Stück unterhalb der Drehachse der Glocke, weshalb der Klöppel stark in Schwingung versetzt wird. Einen solchen Klöppel nennt man "Flugklöppel".

Im Gegensatz dazu liegt beim stark gekröpften Joch das Gelenk knapp oberhalb der Drehachse, der Klöppel wird also gegenphasig zur Glocke und nur schwach in Schwingung versetzt. So erfolgt der Anschlag immer im tiefsten Punkt der Schwingung. Hier verwendet man den Begriff des "Fallklöppels". Um einen Fall- zum Flugklöppel zu machen, wendet man einen einfachen Trick an, wie er aus Abbildung 7 b) ersichtlich ist: Das Gelenk wird nach unten versetzt und der Klöppel oberhalb davon mit einem Gegengewicht versehen. Das Gewicht verlagert den Schwerpunkt des Klöppels nach oben. Dadurch schwingt dieser weiter aus als die Glocke und der Anschlag erfolgt im höchsten Punkt der Schwingung.

Welche Aufhängungsart letztlich die bessere ist, darüber läßt sich streiten, weil es letztlich eine Frage ist, wie der Klang der zu läutenden Glocke erschallen soll. Bei uns in Deutschland sind beide Varianten anzutreffen. Lebendiger erscheint der Klang, wenn die Glocke an einem geraden Joch hängt, weil hier der Dopplereffekt besser zur Geltung kommt und den Klang lebendig erstrahlen läßt. Die Anschlagsfolge ist schneller als bei der Kröpfung, die den Glockenklang als Gong erschallen läßt, weil die Glocke nur langsam hin und her kippt. Wegen dem Gegengewicht auf dem Klöppel sind die Klöppelaufhängungen bei gekröpften Glocken extrem reparaturanfällig. Ohne das Gegengewicht läutet der Klöppel als Fallklöppel und die Glocke erklingt leiser, bzw ist dann eine andere Läuteart noch möglich, auf die ich gleich noch eingehe. Bei uns üblich wird wegen den klanglichen Aspekten das gerade Joch einer Kröpfung vorgezogen. Jedoch ist nicht jede Kröpfung sofort zu verteufeln. Als Ausnahme betrachtet, kann z.B. eine gekröpfte Friedhofsglocke einen ernsthaften und trauernden Klang von sich geben, wie es früher auch mit Einzelanschlägen an Glocken als Totläuten üblich war, wenn man nur eine Glocke hatte. Ansonsten läutet man als Totläuten heutzutage die größten Glocke im Geläut.

Zum Läuten von mehreren Glocken ist ein kleines Läuteteam erforderlich, um den schönen Glockenklang zu erzeugen,  wie hier in der evangelischen Kirche Bebenhausen, wo Jungendliche aus dem Dorf eine eingespielte Läutemanschaft bilden. dazu fängt man mit der kleinsten Glocke an und läßt die anderen nacheinander einstimmen. Beim Ausläuten verfährt man genauso, daß die größte Glocke, die immer als Glocke 1 bezeichnet wird, den letzten Schlag des Geläutes hat.

Was diese Jugendliche hier erleben, ist eine Seltenheit: Der Spaß am Glockenläuten

Eine weitere Form des Glockenläutens ist das sogenannte Beiern. Hier ist ebenfalls eine Läutemannschaft erforderlich. Zum Baiern werden an die Klöppel der Glocken Seile gebunden und bis kurz vor die Glockenwandung arretiert. Durch Zug an dem Seil schlägt der Klöppel dann an die Glocke an. So können auf diese Art an den Glocken Melodien gespielt werden. Es haben sich in allen Gegenden festgelegte Klangfolgen entwickelt, die zu hohen Festlichkeiten erschallen.

Schematische Darstellung zur Zugtechnik des Beierns.

Eine weitere Art des Läutens ist in Italien und England sehr verbreitet und wird als "Taktläuten" bzw. Change Ringing bezeichnet. Hier werden die Glocken ausgeschwungen, am höchsten Punkt festgehalten und durch Loslassen und wieder Festhalten kontrolliert zum Anschlag gebracht. Dadurch können sogar Melodien oder einfache Tonfolgen gespielt werden. Ein überdimensionales Läuterad und die spezielle Aufhängungsart “ gekröpftes Joch “ machen diese Läuteart möglich. Der Klöppel läutet als Fallklöppel ohne Gegengewicht.

In Amerika gibt es hier auch richtige Wettbewerbe und Pokale für das beste Ringerteam.

Die meisten Glocken jedoch, werden heutzutage leider mit Maschine geläutet, angesichts der Freude, die das Glockenläuten mit sich bringt, wenn die Jugend und auch Erwachsene an dem Glockenseil ziehen. Eine Möglichkeit, Kirche lebendig zu erleben, geht damit verloren.

Um mit Maschine zu läuten, wird auf der Radlauffläche eine Spannvorichtung im Seilrad befestigt, an die ein Drahtseil, welches mit einer Kette verbunden, angeschlossen ist. Die Kette läuft dann über ein Zahnritzel am Motor wieder zurück zum Rad, wo das Ende wieder mit Drahtseil fixiert ist. Der Motor zieht die Glocke über eine Steuerung nach rechts und links. Doch dazu gebe ich später eine ausführlichere Beschreibung. Es gibt aber auch Seilräder, wo die Spannvorrichtung auf der Lauffläche sich befindet. Beide Versionen sind gängige Typen.

Bei uns in Deutschland werden Glocken schon seit Jahrhunderten so geläutet, das sie ca. 60° aus der Ruhelage ausschwingen und recht bald nach dem Anläuten ein gleichmäßiger und beidseitig gleich starker Klöppelanschlag erfolgt.

Hier auf dem linken Bild eine läutende Glocke an einem geraden Joch, die ich 1994 gebaut eingebaut hab. Der Klöppel hat gerade den Anschlag vollzogen als fliegender Klöppel. Das Bild dokumentiert auch den üblichen maximalen Schwingungswinkel einer Glocke, die an einem geraden Joch hängt.

Der Uhrschlag wird durch Außenhämmer erzeugt, hier ein  Magnethammer

Rechts die konventionelle Aufhängung bei einem elektrischen Antrieb an einem geraden Joch mit Seilrad und Motor konzipiert für Anschlag mit fliegendem Klöppel und einem seitlich montiertem Anschlaghammer für die Uhrzeit und den Angelusvorschlag 3x3.

Diese Technik ist in Deutschland heutiger Standart.

In Gebirgsgegenden in Österreich, Oberitalien und der Schweiz ist eine besondere Art des Läutens gebräuchlich. Hier werden die Glocken 180° aus der Ruhelage geschwungen und wirken somit beim Klöppelanschlag wie ein Trichter nach oben, deshalb kann der Klang in den Höhen besser gehört werden. Bei dieser Läutart dauert die Aufschwingperiode bis zum vollen Anschlag, ebenso wie die Zeit, bis die Glocke zum Stillstand kommt, mindestens zwei- bis dreimal länger als bei der ersten Art. Außerdem treten oft unschöne sog. Prell- und Doppelschläge auf. Die Joche sind in besonders schwerer Ausführung mit übergroßem Aufsatz als Gegenpendel ausgelegt. Eine Glockenvergewaltigung, Hardcoreläuten der besonderen Art, ausgeführt mit Maschine.

Eine letzte Besonderheit ist das Ritualläuten in Österreich. Das ist keine Glockenvergewaltigung wie oben angezeigt, sondern hier wird mit Technik der Klöppel am Anschlag bei der schwingenden Glocke gehindert. das funktioniert mit sogenannten Klöppelfängern. Sinn und Zweck ist es, zu einem gebeteten Psalm in der Kirche z.B. Glocke 3 genau viermal erschallen zu lassen, wenn der Vorbeter betet und Glocke 2 genau 6 mal, wenn die Gemeinde antwortet. Am Bedienungstableau befinden sich dann pro Glocke auch zwei Schalter. Einmal Glocke: Ein -Aus und Klöppel: Ein-Aus. 

Nochmal zur Erinnerung: Als Glocke 1 bezeichnet man immer die größte Glocke im Geläut, 2 die nächst kleinere, drei die nächst noch kleiner etc ... .

In Deutschland unbekannt: Klöppelaußenfänger für Ritualläuten in Östereich

Glocken läuten am geraden Joch in Deutschland im Schwingungswinkel von 70-120 Grad. Wenn man vom Schwingungswinkel redet, dann geht man vom gesamten Winkel aus, daß heißt von einem Ausschwungende zum anderen.Das bedeutet aber nicht, von einem Glockenrand zum anderen. Die Ruhelage der Glocke ist der Nulldurchgang: Es ist die Stellung, die die Glocke einnimmt, wenn diese nicht geläutet wird. Hier nimmt man die Symmetrisches der Glocke in der Senkrechten als Zeiger für eine im Läuteradius angepaßte virtuelle Skala an. Beim Läuten schwangt die Symmetrieachse dann in einem Läutewinkel, den sie auf der virtuellen Skala dann als Skalenwert anzeigt. Einfacher ist natürlich dann die Beschreibung des Läutewinkels mittels einer Markierung am Seilrad und Messung mit einem übergroßen Winkelmesser aus der Schule. In der Praxis wird aber nicht der Schwingungswinkel gemessen, sondern man zählt die Anschläge pro Minute und setzt diese ins Verhältnis zum Glockengewicht , z.B. 50 bei 1,8 Tonnen. Hat man mehrere Glocken, so sollte zwischen den Anschlägen pro Minute eine Zahl zwei oder drei liegen, aber nach Möglichkeit gleichmäßig aufgeteilt, damit ein harmonischer Läuterythmus entsteht. Auf keinen Fall dürfen die Anschlagszahlen zweier Glocken identisch sein, da es sonst zu Schäden im Mauerwerk kommt, abgesehen von dem musikalischen Aspekt.

Den Läuterythmus einer Glocke oder mehrerer Glocken nennt man

Intonation.

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Weiter geht es technisch ins Detail, mit unten stehenden Buttons:

In naher Zukunft werden sie hier auch Schaltungspläne von Glockenmotoren und Läuteanlagen, sowie Abmessungen von Klöppeln und Jochen zugeordnet zum Glockengewicht finden.

Hinweis: Ich beziehe mich bei unten stehenden Buttons auf die in Deutschland übliche Läutetechnik mit fliegendem Klöppel am geraden oder gekröpften Joch. Achtung: Alle Angaben sind Mittelwerte der Praxis und ohne Gewähr! Offene Fragen bitte an : Kundendienst@kirchenglocken.de.